26. Januar (Eröffnung 20 Uhr) – 18. März 2006
Eine Person allein in einem Raum mit Coca-Cola-farbenen Wänden
Mit Beiträgen von Fabrics Interseason, Liam Gillick, Julian Goethe, Lise Harlev, Sanja Ivekovic, Janice Kerbel, Bernd Krauß, Little Warsaw, Andreas Neumeister, Mai-Thu Perret, Jozéf Robakowsky, Silke Schatz, Lasse Schmidt Hansen, Octavian Trauttmansdorff, Jeronimo Voss.
Die Fragen, die das Projekt stellt, betreffen das politische Potential der besonderen formalen Beschaffenheiten alltäglicher Umgebungen. Es geht dabei vor allem um die soziale Funktion und Bedeutung intimer Umgebungen, die der Konstruktion von Individualität Raum geben.
Das Projekt geht über die reine Analyse hinaus und präsentiert künstlerische Strategien der Wieder-Aneignung und Umwandlung, die aus der Kritik bestehender Verhältnisse heraus neue spekulative Räume und Strukturen schaffen.
Die Ausstellung konzentriert sich auf aktuelle Arbeiten, bezieht jedoch auch eine Reihe von ausgewählten Arbeiten aus den 70er Jahren in die Diskussion mit ein. Im Kontrast zu den zeitgenössischen Arbeiten ist die Perspektive, aus der die historischen Beiträge die soziale Bedeutung des privaten Raums betrachten, vergleichsweise eindeutig. Sie fragen danach, wie private Räume politisiert und als Schnittstellen zwischen Macht und Körpern instrumentalisiert werden (der Beitrag von Sanja Ivekovic zum Beispiel).
Die aktuellen Positionen dagegen verwerfen eine vereinfachte Gegenüberstellung von Staatsmacht und Privatraum. Subjektivität wird hier nicht als etwas angesehen, das kämpferisch dem System abgerungen werden muss, sondern das vielmehr so wie Althusser es beschreibt, Produkt einer permanenten Anrufung durch die Macht ist. Nur ist es nicht mehr, wie bei Althusser, der Polizist, von dem die Anrufung ausgeht ("Hey Sie, bleiben Sie stehen!"); ein Ikea Billyregal, ein Tisch vom Möbelhaus Leiner oder Einrichtung und Schnitt einer Wohnung im Studentenwohnheim können Transmitter von Anrufungen sein.
Die Frage bleibt gleich: Wie schafft die Ideologie ihre Subjekte? Welcher Formen und Formate bzw. welcher Sprachen und Rethoriken bedient sie sich? Wenn zum Beispiel Lasse Schmidt-Hansen (*1979) ein Billyregal zusammenbaut und bewußt den berühmten Fehler von Millionen von Konsumenten wiederholt, in dem er ein Regalbrett falsch herum einbaut, und die unbeschichtete Längskante nach Vorne und nicht zur Rückwand hin wendet, macht er sich zunächst einmal bewußt zum Komplizen des Mythos Ikea. Wenn er nun aber anhand eines dem Regal beigelegten Notizzettels mit genauen mathematischen Kalkulationen aufzeigt, dass diese Möglichkeit der Falschmontage eine von 294 Millionen kreativen Variationen darstellt, in denen man ein Standard-Billy-Regal zusammen bauen kann, dann beschreibt er damit das Dilemma der freien Wahl der Standards als symptomatisches Verhältnis zur gesellschaftlichen Normalität. Zugleich verweist er auf das subversive Potential, das diesem Verhältnis innewohnt.
Die Ausstellung erhebt keinen Anspruch auf eine enzyklopädische Behandlung des Themas, sondern auf eine atmosphärische, widersprüchliche und assoziative Inszenierung der Problematik, die den Betrachter in einen dynamisch und bildhaft-dicht gestalteten Raum aufnimmt, Fragen aufwirft, Begehren schafft und produktive Verwirrung stiftet.
Mit Beiträgen von:
FABRICS INTERSEASON. Das Modelabel fabrics interseason wurde 1998 von den KünstlerInnen Wally Salner und Johannes Schweiger gegründet. Wally Salner (*1971) und Johannes Schweiger (*1973) leben in Wien. Kunst, Kulturgeschichte, Design, Performance und elektronische Musik beschreiben das Feld, in dem fabrics interseason ihre Arbeiten positionieren. Die Kollektionen und ihre Präsentationen basieren auf Konzepten, denen eine intensive Recherche zu gesellschaftspolitischen Fragen und Diskursen vorausgehen, was für den Modebetrieb nach wie vor ungewöhnlich ist. Präsentationen u.a.: Espace Saint Martin, Pret-a-Porter Fashionweek, Paris (05), Austrian Cultural Institute, New York (2005), Kunsthalle Wien (2005), Galerie de Gele Rijder Centrum Beeldende Kunst, Arnhem (2005), ZKM, Karlsruhe (2005), Berlin Biennale (2004), Kunstverein München (2004), ICA, Institute of Contemporary Arts, London (2004).
LIAM GILLICK (*1964), lebt in London und New York. Präsentationen u.a.: Palais de Tokyo, Paris (2005), Centro de Arte Contemporáneo de Málaga, Málaga (2005), Lenbachhaus München (2004), The Power Plant contemporary Art Gallery, Toronto (2003).
JULIAN GOETHE (*1966), lebt in Berlin. Präsentationen u.a.: Galerie Meerrettich, Berlin (2005), Paul-Lincke-Ufer 33, Berlin (2005), Sorcha Dallas, Glasgow (2005), Cabinet, London (2004), Kunstverein München (2004), Migros Museum, Zürich (2004), Kunsthaus Dresden (2004), Galerie Daniel Buchholz, Köln (2003).
LISE HARLEV (*1974), lebt in Berlin und Stockholm. Präsentationen u.a.: Galleria Maze, Turin (2005), Tranzit Workshops, Bratislava (2005), IASPIS Galleriet, Stockholm (2005), Kaskadenkondensator, Basel (2004), Sparwasser HQ at Platform, Platform Garanti Contemporary Art Center, Istanbul (2004), Liljevalchs Konsthall, Stockholm (2003), Brandenburgischer Kunstverein, Potsdam (2003).
SANJA IVEKOVIC (*1949), lebt in Zagreb. Präsentationen u.a.: NGBK Berlin (2002), Galerie im Taxispalais, Innsbruck (2001), Zentrum für Zeitgenössische Kunst Schloss Ujazdowski/CCA, Warschau (2001), Karas Gallery, Zagreb (2000), Electra, Zagreb (2000).
JANICE KERBEL (*1969), lebt in London. Präsentationen u.a.: Ursula Blickle Stiftung, Kraichtal (2005), Lisson Gallery, London (2005), Norwich Gallery, Norwich (2004), Galerie Karin Guenther Nina Borgmann, Hamburg (2004), NGBK Berlin (2004), Artspeak Gallery, Vancouver (2001), Arnolfini, Bristol (2000).
BERND KRAUSS (*1970), lebt in Berlin. Präsentationen u.a.: Galeri Verkligheten, Umea (2005), Kunstverein München (2003), NGBK Berlin (2002), Pazifik, Berlin (2002), Videonale 9, Bonn (2001), Unabhängige Freilichtbühne St. Pauli, Hamburg (2001), Ausstellungsraum Büchsenhausen, Innsbruck (2000), Galerie Giti Nourbakhsch, Berlin (2000).
LASSE SCHMIDT HANSEN (*1978), lebt in Frankfurt. Präsentationen u.a.: Galerie Reinhard Hauff, Stuttgart (2005), Filosofgangen, Odense (2005), Galerie Ruwitt///Weiß, Düsseldorf (2004), Festival der jungen Talente, Offenbach (2003), White Cube, Bergen (2002).
LITTLE WARSAW wurde 1996 von den Künstlern András Gálik und Bálint Havas gegründet. András Gálik (1970) und Bálint Havas (1971) leben in Budapest. Präsentationen u.a.: CCA, Vilnius (2005), Tranzit.cz-Museum in Progress, Prag und Wien (2005), Galerija Balen, Slavonski Brod und Zagreb (2005), Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig (2004), Galeria Jana Koniarka, Trnava (2004), Galeria Arsenal, Bialystok (2004).
MAI-THU PERRET (1976), lebt in Berlin und Genf. Präsentationen u.a.: Centre d’art contemporain, Genf (2005), Statements, Art Basel (2004), Centre d’édition contemporaine, Genf (2004), Secession, Wien (2003), The Modern Institute, Glasgow (2002), Glassbox, Paris (2002).
JOZÉF ROBAKOWSKY (*1939), lebt in Łódź. Präsentationen u.a.: Galerie Johnen + Schoettle, Köln (2004), Centrum Sztuki Współczesnej, Warszawa (2003), Studio Mozer, Łódź, (2003), WUK Projektraum, Wien (2002), Index, Stockholm (2002), Videonale 9, Bonn (2001).
SILKE SCHATZ (*1967), lebt in Köln. Präsentationen u.a.: Kunstverein und Stiftung Springhornhof, Neuenkirchen (2005), Meyer Riegger Galerie, Karlsruhe (2005), De Zonnehof, Amersfoort (2004), Kettle´s Yard, Cambridge (2004), Galeria Fortes Vilaca, Sao Paulo (2003), Schnitt Ausstellungsraum, Köln (1999).
OCTAVIAN TRAUTTMANSDORFF (*1968), lebt in Wien. Präsentationen u.a. Galerie Steineck-Halle, Wien (2005), „Hotel Banana“, Wien-Kairo (2003), Salzburger Kunstverein (2001), Galerie Krobath Wimmer, Wien (2000)
JERONIMO VOSS (*1981), lebt in Frankfurt am Main. Lentos-Kunstmuseum, Linz (2005), Indeterminate Kommunismus, Frankfurt am Main (2003), Kokerei Zollverein, Essen (2003).